Donnerstag, 12. September 2013

BÄRlin



Durch die Suche nach Bildern in meinen Archiven, bin ich auf die Bilder aus meinem Vorschaumburger Leben gestoßen.




Nach der Geburt meines Sohnes in Berlin, hat sich vieles um mich herum und in mir verändert. Leonardo Theodor – so lautet sein Name – war in seinem ersten Lebensjahr eine richtige Herausforderung. Mit einer Lippen-Kiefer-Gaumen Spalte geboren musste er durch mehrere unangenehme Behandlungen und OPs und kostete uns 400 schlaflose Nächte und Tage. Und da wir keine Bekannten oder Verwandten hatten, die uns das Kind für ein paar Stunden abnehmen konnten und wir ihn keinesfalls der Schreitherapie im Krankenhaus unterziehen wollten, war unsere einzige Rettung – Berlin. JA – Berlin! Mit seinen endlosen Straßen und Überraschungen an jeder Ecke, mit seinen Millionen von Gesichtern, architektonischen und landschaftlichen Abwechslungen, mit seinem Prunk und Elend. Ich schwöre dir meine Liebe, Berlin!

Ich höre oft viel Kritik in deine Richtung. Für mich hat sie aber keine Bedeutung. Ich gehörte weder zu deinen Party- oder Drogenszenen, wurde nicht gezwungen in deinem Straßenverkehr als Fahrer teilzunehmen, hab mich nicht vor deinen Randgruppen geekelt. Und wenn mir das Licht in unserer Wohnung im Hinterhof gefehlt hat, bin ich rausgegangen, um von dir wieder betrunken zu werden.

Die großen Menschenmengen und daraus resultierende Enge sind im Schaumburger Landidyll nicht vorhanden. Aber wenn man mit Kindern auf den Spielplatz geht, ist es ein seltenes Glück, dass es da noch jemanden gibt, weil sich viele Eltern verpflichtet fühlen ihren eigenen Spielplatz auf ihrem eigenen Grundstück zu bauen. Und so bleiben die Kinder voneinander getrennt und können sich nur im Kindergarten treffen oder es müssen ihre Eltern längst befreundet sein. Dem Zufall wird nichts überlassen. Es ist auch beschwerlich die Erwachsenen hier auf dem Acker zu finden und für den engeren Kontakt ist meist eine Eintrittskarte erforderlich: deine Zugehörigkeit zu irgendeinem Verein, Club, Feuerwehr, Kirchengemeinde etc. Wenn man hier geboren ist, passiert es ganz automatisch.
 
Für mich hat sich dieses Erfolgsrezept als erfolglos nachgewiesen, weil ich bis jetzt kein Verband gefunden habe, wo ich ein Mitglied werden wollte und meine Zuneigung für Zufälle und Überraschungen nicht abgegeben habe. Meine Seele braucht ein bisschen Chaos, wo auch aus den unschönen Sachen etwas Schönes entsteht, wo die Kreativität nicht durch die strikten Regeln noch während der Geburt erwürgt wird, nur weil Blut und Dreck unästhetisch sind. Deswegen schwöre ich dir meine Liebe, Berlin, obwohl ich weiß, dass man auch dich in diese Schlinge der Regelung hineinpresst. 












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